
"CHIEMSEE (2005-2007)"
(Erzählt die Zeit mit der POSEIDON im Chiemsee)

Ich sitze im Frühjahr 2008 gerade zu Hause und bin mitten in den
Vorbereitungen für meine „große Norwegenreise“ mit der Poseidon und grüble
dabei nach, wie wir wohl wieder das Internet-Logbuch führen sollen. Dabei
fällt mir auf, dass ich immer noch nichts über meinen „Ausflug an den
Chiemsee“ erzählt habe. Vielleicht kann der ein oder andere nun die
Vermutung anstellen, dass es mir dort nicht gefallen hat. Und dies will ich
hier in aller Deutlichkeit verneinen. Der Chiemsee verdient es jedenfalls
nicht, in der Lebensgeschichte der Poseidon nicht erwähnt zu werden. Und
deshalb schreibe ich jetzt hier diese Zeilen.
Als ich die Poseidon damals von Stralsund per Tieflader an den Chiemsee in
Oberbayern holte, war ich vor allem durch meine jahrelangen Segelfreunde und
die wunderschöne Landschaft um den Chiemsee herum motiviert. Die Idee war,
die Poseidon zumindest für eine Zeitlang „in der Nähe“ meines Heimatortes
liegen zu haben, um zum einen möglichst oft zum Segeln zu kommen, zum
anderen konnte ich hier in der Umgebung meiner Heimat viel leichter
Restarbeiten der Renovierung durchführen, als immer den langen Weg nach
Stralsund zu fahren. Ich spielte zunächst durchaus ernsthaft mit dem
Gedanken, die Poseidon für immer am Chiemsee liegen zu lassen.
Glücklicher Weise hatte der Segelverein in Feldwies gerade einen
entsprechend tiefgehenden Liegeplatz frei.
Sicherlich ein großes Plus für die Entscheidung des Vorstandes, die Poseidon
in Ihre Gefilde aufzunehmen war Ihre Bedeutung als historisches Schiff und
der beachtenswerte Zustand.
Denn der Segelclub Chiemsee Feldwies (SCCF) trägt jedes Jahr die inzwischen
schon weit über die Landesgrenzen hinaus bekannte
„Schorsch-Wallner-Olditreff“-Regatta aus. Schorsch Wallner war ein sehr
rühriger, unheimlich lebenslustiger und froher Mensch, dessen Liebe ganz dem
SCCF im Allgemeinen und vor allem den Oldtimer-Schiffen am Chiemsee im
Speziellen galt. Er besaß selbst einen „Schraaz“, eine typische historische
Chiemsee-Jolle, die in den dortigen Gewässern zusammen mit „Plätten“ und den
„Z-Jollen“ das typische Bild oberbayerischer Seen an einem schönen Segeltag
beherrschen. Jeder kannte Schorsch als ein echtes Unikum, dessen
Oldi-Leidenschaft sogar soweit ging, dass er Einladungskärtchen für die
Oldtimer-Regatta schwimmender Weise zu den an den Bojen liegenden alten
Holzschiffen brachte. Ich habe ihn und seinen Frohsinn selbst noch einige
Jahre im Club genießen können. Leider ist er zwar im stolzen Alter - für
alle, die Ihn kannten aber viel zu früh - durch eine schwere Krankheit von
uns gegangen. Seit dieser Zeit wurde der ehemalige Oldi-Treff am Chiemsee
Ihm zu Ehren in den „Schorsch-Wallner-Oldtimer-Treff“ umbenannt.
Es war damals, als ich die Poseidon eben gerade rechtzeitig zur Oldi-Regatta
an den Chiemsee verlegte ein unheimliches „Hallo“ im Verein, die sogar in
der örtlichen Presse eine eigene Erwähnung wert war. Ich freute mich sehr
über die spontane und gastfreundliche Aufnahme in Ihren Reihen und gewann
viele neue Bekannte und Freunde dort.
Nun sind die Poseidon als Fahrtensegler zum einen und meine mangelhaften
Regattaerfahrungen zum anderen nicht gerade die besten Voraussetzungen, um
in einer Regatta entsprechend Ihrem legendären Ruf würdigend zu gewinnen.
Aber die Teilnahme als solches an den Regatten hat mir dennoch unheimlich
Spaß gemacht. Einfach nach dem Motto „dabei sein ist alles“. Am meisten hat
mich natürlich immer das Rennen gegen meine Freunde Georg und Brigitte
gereizt, welche einen Oldtimer aus den 60er Jahren ähnlicher Größe besitzen.
Wir hatten immer einen mords Spaß, vor allem danach beim „Seglerhock“.
Zusammen mit Engelbert und Ellen bilden wir eine liebe „Chiemsee-Runde“,
deren Freundschaft hoffentlich noch lange dauern wird. Leider teilen sie
nicht meine Leidenschaft für die nördlichen Gefilde. Sie fehlen mir sehr bei
meinen Ausflügen in die Nord- und Ostsee, nicht nur seglerisch, sonder vor
allem menschlich.
Doch zurück zum Chiemsee. Er ist für mich persönlich einer der schönsten
bayerischen Seen. Er ist ausreichend groß, um auch mal mit einem größeren
Boot einen „längeren“ Schlag von 1-2 Stunden (nur bei wenig
Wind
) machen zu
können. Vor allem begeistert mich aber der Chiemgau, die Umgebung des
Chiemsees. Es ist eine wunderschöne Landschaft mit einem sehr hohen
Erholungswert. Wir genossen es sehr, neben der Seglerei auch mal eine
Fahrradtour oder eine Wanderung durch den Chiemgau machen zu können. Auch kamen
viele Freunde vorbei um mit der Poseidon zumindest mal am Chiemsee mitsegeln
zu können. Da ich inzwischen auf dem Meer aus Sicherheitsgründen keine
Kinder mehr mitnehme, die nicht mindestens einen Jüngsten-Segelschein oder
zumindest eine entsprechende Begeisterung für die Segelei mitbringen, war
dies die Gelegenheit für manche Familien, auch mal mit den Kindern zumindest
für ein paar Stunden einen Törn zu machen.
Apropos Kinder: Ich möchte hier nicht den Eindruck erwecken, ich hätte eine
kinderfeindliche Einstellung als solches. Aber haben Sie schon mal einen
Segeltörn mit Kindern gemacht, die gerade dann, wenn Sie mehrere Stunden von
jedem Hafen weg sind zum quengeln anfangen? Das Problem sind dann nicht die
Kinder – obwohl ich zugeben muss, dass ein Segeltörn für ein Kind ganz schön
langweilig werden kann. Deren Geschrei und Gequengele könnte man ja noch
„übergehen“. Nein, die Eltern sind das Problem. Ein quengelndes Kind
beansprucht die volle Aufmerksamkeit mindestens eines, wenn nicht beider
Elternteile zu 100%. Die Eltern werden in diesem Moment zu ferngesteuerten
Monstern und haben nur noch die Befriedigung der Interessen des Kindes im
Kopf. Oft vollkommen ohne Sinn für gemeinschaftliche oder gar
sicherheitsrelevante Interessen. Die Stimmung ist dann an Bord vollkommen
dahin und ich musste schon Törns abbrechen, nur weil ein Kind Angst vor
einem fernen Gewitter hatte, welches sich am Horizont zeigte. Ein Anlaufen
des nächsten Hafens wäre weitaus sinnvoller und sicherer gewesen, als den
weiten Weg zurück in den Heimathafen bei einem aufkommenden Gewitter
anzulaufen. Aber Eltern reagieren in diesem Moment vollkommen unlogisch und
man könnte meinen, das Kind tausche in diesem Moment sein Hirn und seine
eigenen, geringen Lebenserfahrungen mit denen seiner Eltern aus, nutzt aber
gleichzeitig deren Starrsinn. Wie ein Schalter im Hirn der Eltern „Mach
jetzt, was ich will“! Mir tun die Kinder in diesem Moment am meisten leid,
den solche Eltern nehmen den Kindern in diesem Moment jegliche Chance zu
erfahren, was es heißt, ein Problem nicht nur zu erkennen – darin sind
Kinder ja geradezu bewundernswerte Meister – sondern es auch zu lösen und an
der Bewältigung des Problems zu wachsen. Ich habe solch konsequent „soft“
erzogene Kinder später in der Schule, im Berufsleben oder in der Ehe
kläglich bei den geringsten Problemen scheitern gesehen. Sie mussten später
hartes Lehrgeld bezahlen und Erfahrungen der Problembewältigung zu einem
Zeitpunkt machen, die man eigentlich schon als Kind hätte lernen sollen.
Deshalb meine Devise: Kinder nur, wenn sie selbst begeisterte Segler sind.
Was hätte ich damals in Korsika gegeben, wenigstens nur mal an Bord eines
solchen Schiffes gehen zu dürfen, geschweige denn mal mitsegeln zu dürfen.
Aber vielleicht ist heute einfach eine „andere Zeit“...
Wie’s aber oft so kommt war ich dann wieder mal beruflich so eingespannt,
dass ich noch weniger am Chiemsee zum Segeln kam, als an der Ostsee. Fährt
man an der Ostsee zum Segeln für ein verlängertes Wochenende, fährt man
nicht gleich nach Hause, nur weil sich am Horizont mal ein paar graue Wolken
zeigen. Am Chiemsee schon. Wenn’s daheim mal nicht ganz nach Segeln
ausgesehen hat, blieb man eben zu Hause und hat dann am Abend von seinen
lieben Freunden erfahren müssen, dass es doch ein ganz toller Segeltag war.
Pech gehabt. Man ist einfach nicht so konsequent dabei, wenn man das Schiff
praktisch vor der Türe stehen hat. Wie beim Skifahren: Mich bewundern immer
alle Leute aus dem Norden. „Du kannst jeden Tage Skifahren gehen, Du hast
die Berge ja vor der Türe“. Ich war schon seit 20 Jahren nicht mehr beim
Skifahren!
Und irgendwie hat mir dann doch das Meer gefehlt. Ein Binnensee hat auch
seinen Reiz, sicher. Irgendjemand meiner Vorfahren muss aber ein
leidenschaftlicher Seemann gewesen sein. Und dessen Geist lebt in mir
weiter. Ich liebe das Meer über alles. Die Wellen, den Wind die Sanftmut
einer Dünung, das wilde, ungestüme eines Sturmes, die Weite des Horizontes,
die Ruhe einer Flaute, das Rauschen der Brandung, das unbekannte der Ferne,
die Geborgenheit der Häfen... ich könnte Stundenlang weiterschwärmen... und
sollte eigentlich etwas über den Chiemsee sagen.
Der Leser merkt nun vielleicht, warum ich es nicht mehr als 2 Jahre
geschafft habe, dem Meer fern zu bleiben. Ich habe viele Nächte darüber
nachgedacht. Ich könnte mir durchaus vorstellen, später mal wieder an den
Chiemsee zurückzukehren. Aber momentan bin ich einfach noch zu
leidenschaftlich dem Meer verfallen.
Als dann eines Tages der Vorstand des Segelvereines an mich trat und mir die
traurige Mitteilung machte, dass er befürchte, mein Schiff würde bei einem
Sturm wegen des Gewichtes den Steg beschädigen und sie wollen das Gewicht
der Schiffe auf 6 to begrenzen, war ich ganz froh, dass mir die endgültige
Entscheidung praktisch „von oben“ abgenommen wurde. So kam es, dass ich im
Frühjahr 2007 die Poseidon mit dem Tieflader wieder nach Stralsund bringen
ließ.
Was mir vom Chiemsee bleibt:
Viele liebe Freunde und Bekannte und ein Segelverein, in dem ich jederzeit
wieder willkommen bin, ob mit oder ohne Schiff (wenn auch ein kleineres).
Wir bleiben alle trotz der Trennung zusammen!
ENDE
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